Rezensionen

Babette Caezar

Auszüge aus der Vernissagerede von Babette Caesar, Kunsthistorikerin, anlässlich der Ausstellung: Beate Bitterwolf „Spektrum“ Arbeiten von 1993 – 2004, in der Städtischen Galerie In der Badstube in Wangen/Allgäu,
im April 2004. ….

„Der Himmel war so blau – und weiße dünne Windwolken. Die Berge im Schatten so dunkelblau- und in der Sonne alles deutlich…“ und auch wenn die Bilder von Gabriele Münter während der Zeit des Blauen Reiters sowie die späteren kaum mit denen von Beate Bitterwolf vergleichbar sind, geben diese Satzfragmente in ihrer bemerkenswerten Vereinfachung ganz persönlich Empfundenes wieder und das in einer Sprache, die dem Moment des Sehens sehr nahe kommt. ….

Von nun an bemühte ich mich nicht mehr um nachrechenbare Form der Dinge, und doch habe ich nie die Natur überwunden, zerschlagen oder gar verhöhnen wollen. Ich stellte die Welt dar, wie sie mir wesentlich erschien, wie sie mich packte“, resümierte Münter in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg…..

Wassily Kandinsky sprach immer wieder vom „inneren Klang“ und einer „inneren Notwendigkeit“. Das Zum Minimum gebrachte Gegenständliche muss in der Abstraktion als das am stärksten wirkende Reale erkannt werden, wobei übergreifend angemerkt sei, dass der „innere Klang„ nicht zwangsläufig an die Abstraktion gebunden sein muss, nur ist der „innere Klang“ nie etwas allein mit dem Willen oder dem Kopf Gemachtes.

zu den Gemälden von Beate Bitterwolf entstehen im Voraus keine speziellen Zeichnungen oder Skizzen; Studienblätter nur in den frühen Jahren. Wie es letztendlich aussehen wird, weiß ihr Inneres, nur kann sie es bis dahin auf den üblichen kommunikativen Wegen nicht ausdrücken.

Der Komponist Arnold Schönberg mit einer Beobachtung dazu: „Ich war vor ein paar Jahren tief beschämt, als ich entdeckte, dass ich bei einigen mir wohlbekannten Schubert-Liedern gar keine Ahnung hatte, was in dem zugrund liegenden Gedicht eigentlich vorgehe. Als ich aber dann die Gedichte gelesen hatte, stellte sich für mich heraus, dass ich dadurch für das Verständnis dieser Lieder gar nichts gewonnen hatte, da ich nicht im geringsten durch sie genötigt war, meine Auffassung des musikalischen Vortrags zu ändern. Im Gegenteil: : es zeigte sich mir, dass ich, ohne das Gedicht zu kennen, den Inhalt, den wirklichen Inhalt, sogar vielleicht tiefer erfasst hatte, als wenn ich an de Oberfläche der eigentlichen Wortgedanken haften geblieben wäre, „

„Ich warte drauf, dass es sich entschlüsselt„ könnte Beate Bitterwolf auf Schönbergs Entdeckung in abgekürzter Form reagierten und der Satz fiel dann auch in einem Gespräch. Deshalb dauere es oft auch so lang bis ein Bild entsteht, manchmal ein bis zwei Jahre.

Was entschlüsselt sich auf oder durch ihre Bilder, was ist auf den ersten Blick als Gegenstand erkennbar, wo liegt die darüber hinaus reichende Betrachtungsebene, die ähnlich wie in der Musik verbal schwer zu fassen ist, da den veränderten Erlebnisräumen das Stoffliche, eben das was vorher noch beschreibbar jetzt vor allem erlebbar geworden ist, fehlt und im wörtlichen Sinne sprachlos macht.

Es geht um ein anderes Sehen, schon lange nicht mehr um das Identifizieren von wiedererkannten Dingen oder Lokalitäten, auch wenn der Betrachter das in einigen Fällen anfangs noch glauben möchte. Um die Bilder, die einen aus unerklärlichen Gründen nicht mehr loslassen, was wiederum generell nicht abhängig ist von gegenständlich oder abstrakt.

Was die künstlerische Entwicklung angeht, jetzt mit Blick nach vorn auf die ganz aktuellen Arbeiten der Jahre von 2001 bis 2004 können Sie eine fortschreitende Ablösung vom Konzepthaften wahrnehmen. Die Studien sind deutlich in den Hintergrund getreten, dafür hat die Zeichnung an Dominanz gewonnen. Mit Kohle, Kreide, Tusche und Graphit entstehen ausschnitthaft Blüten, Blätter und Obstbäume, die auch immer von einem stark malerischen Aspekt geprägt sind. Nicht das Wort “Blume“ sondern „Blühen“ har Beate Bitterwolf als zentralen Begriff gewählt, denn beim Blühen geschieht etwas. „Knospen, blühen, Welken“ nennen sich die unter diesem Titel zusammengefassten Arbeiten, die vom beinahe miniaturhaften bis zum großen Format reichen.

Unvoreingenommen gehe sie an ein Thema heran, inspiriert durch Gezeichnetes und wundere sich dann selbst, dass es eine Tulpe geworden ist. Eine andere Dimension ausdrücken zu wollen als sie das Abbild vorgibt, auf der Suche zu sein nach eine inneren Kraft wunderbares Beispiel sind die „Magnolien“ in ihrer räumlichen und gleichsam transparenten Vielschichtigkeit. Dabei stechen Beate Bitterwolf vor allem große Blüten ins Auge, die gut beobachtbare Prozesse des Knospens, des Blühens und Verwelkens durchlaufen, die nie ein endgültiges Ende bedeuten, sonder sich permanent wiederholen. Eine Gladiole beispielsweise vereint dieses Geborenwerden, Leben und Sterben ganz dicht nebeneinander an einem einzigen Stängel.

Das Winterkeimbild geht über das Monumentalisieren einer Blüte hinaus – es hat sich zum rein Atmosphärischen entwickelt, assoziiert über den Titel das Gefühl an glasklare Kälte und eine darin verborgenen Keim, der noch in Ruhe gelassen werden will.

Beate Bitterwolf gibt Strukturen vor, an denen sich das Betrachterauge ähnlich den Kletterern entlang hangeln kann, sich tastend bewegt ohne an irgendeiner Stelle etwas zentrales Festes vorzufinden, dennoch sich auf eine gefahrlose experimentelle Reise begibt, die wie beim Lesen von fesselnden Büchern zu einem eigenen „Kino im Kopf“, zu einem individuellen Bildschatz anwachsen kann. Die bei den Pflanzen-und Winterkeimbildern aus Pigmenten und Acrylbindemittel angerührten Farben werden schichtweise aufgelegt und dann wässrig ineinanderlaufen gelassen. Als Grundierung der Leinwände dienen verschiedene Sande und Steinmehl, die diesen stark haptischen Oberflächencharakter hervorrufen.

Es gibt mehr als einen Weg der zum Entstehen eines Bildes führt. Wichtig ist, den für einen selbst passenden zu finden. Der von Beate Bitterwolf gewählte geht vom real Erlebten aus, der durch das Zusammentreffen von Phantasie, Spontanität und dem fundierten Wissen um die technischen Möglichkeiten fortgeführt wird hin zu Atmosphärischem, das jederzeit vergänglich jetzt bildhaft in greifbare Nähe gerückt ist und über die Betrachtung neue innere Atmosphären im Menschen erzeugt.

Ich zitiere zum Schluss Beate Bitterwolf, die sich 1988 – also zu einer Zeit, die noch vor ihrem Wangener Spektrum liegt – wie folgt äußerte: „Am wichtigsten ist mir die Farbe, sie ist der Humus, aus dem das Bild wächst. Vergraben, umgraben, ausgraben – so entsteht der Untergrund. Wachsen und Zerstören beide Prozesse brauche ich auf dem Weg zum Bild.²

© Babette Caezar