Rezensionen

Sabine Krebber

Auf Bergeshöhen
Landschaften von Beate Bitterwolf

Die 34jährige Malerin Beate Bitterwolf hat sich einem Genre verschrieben, das heut kaum noch Beachtung findet: Sie malt Landschaftsbilder. Sie präsentiert jedoch keineswegs naturalistische Idyllen, sondern setzt eigene Erfahrungen um. Die Berge haben es ihr angetan, sie sind nicht nur ihr bevorzugtes Sujet in der Kunst. Die Malerin wandert und klettert selbst gern. Das ist ihren Bildern anzumerken, denn zu den Gebirgslandschaften von Beate Bitterwolf gehören auch die Menschen, die die Herausforderung durch die Natur annehmen. Ganz klein sind sie, eingeklemmt in einem Felskamin oder kaum mehr als Farbtupfer in einer gletscherblauen Weite. Was manchen Betrachtern trivial erscheinen mag, ist anderen bildhaft gewordene Einsamkeit und Stille, Angst und Unruhe.

Raffiniert spielt Beate Bitterwolf mit Farben und Flächen, setzt beispielsweise in ein knallrotes Quadrat mit leichter Hand eine schwarz lasierte Diagonale. Erst auf den zweiten Blick wird aus dem dynamischen Schwarz eine Felswand, in der ein Kletterer emporklimmt. In anderen Bildern baut Beate Bitterwolf die Landschaft aus unterschiedlichen Versatzstücken auf, setzt flächige Farbschichten neben rauhe Segmente, kollagiert überarbeitete Fotos oder Kopien auf der Leinwand. Die Spannung zwischen Fläche und Raum, Emotion und Information, persönlicher Erfahrung und erzählerischer Schilderung schwingt in den Bildern von Beate Bitterwolf ständig mit. kst

Vernissagerede am 1. Oktober 1995 von Sabine Krebber © sk/10-95

Doppelgrau-Bergbild

davon träumen:
weit weg sein
nicht dieselbe, derselbe zu sein
sondern anders zu sein
mit Stein
mit Alleinsein
mit Sein
mit sich selbst.

Dann kommt sie –
dann kommt sie – die Angst.

Die Angst:
vor dem weit weg sein
vor dem nicht dieselbe, derselbe sein
die Angst vor dem Stein, vor dem Alleinsein, vor dem eigenen Sein
vor sich selbst.

Gletscherbild

Viel Schnee
Viel Eis
Viel Stein
Viel Wind
Viel Himmel
Viel Sonne
Viel Schatten

weniger selbst

führt weg vom Träumen zum Tun
führt weg von der Angst zum Selbst
führt weg vom Stein zum Sein.

Bergbild II

n den Blöcken eines Granitfeldes
in den Schlünden eines Gletschers
spiegelt sich das Ich?
Zurückgeworfen auf sich selbst?
… wird der Berg zu dem,
was man von sich bezwingen will,
was man von sich abbröckeln will?
… und es nicht schafft.

So schafft Ihr es nicht!
Vergeblich das eiserne Klacken der Absätze
das Einhauen des Pickels mit verkrampftem Gesicht
Umsonst das Mühen vor dem Abgrund.
Umsonst das Umwedeln der Höcker.
Umsonst die Hitze im Gesicht, die Eisbrocken am Kinn, das flaue Gefühl im Magen, der Schwindel im Knie.

3er – Skibild

In den Blöcken eines Granitfeldes
In den Schlünden eines Gletschers
in den Tiefschneelöchern
und den verkalkten Spalte…

findet sich nur, wer sich vorher gefunden.

Die Suche nach sich selbst
in gletscherblau
in schneeweiß
in granitgrau

bleibt eine Suche, wenn sie beschränkt bleibt auf

Granitfelder
Gletscherschlünde
Schneelöcher
Spalten.

Vorher die eigene Größe bemessen.
Vorher die eigene Kraft abschätzen
können und nicht müssen
bedeutet das wirkliche Sehen von Granitfeldern, Gletschern, Spalten.

3 Flächenbilder nebeneinander

Zuhause nachdenken, mit dem Pinsel erst träumen, dann erinnerte Träume in Farbblöcke auflösen:

Beate Bitterwolf lebt mit den Bergen, in den Bergen, jetzt klettert sie. Verschachtelungen der Felswände werden zu Aufhellungen oder Abdunkelungen in Mischtechnik.

Dastehen vor weiten Flächen, das Begreifen der von Eis und Wind geglätteten Blöcke wird zu Quadraten, Beinahquadraten und horizontal gelagerten Rechtecken.

Beate Bitterwolfs Granitblöcke sind scharfkantige Ausschnitte der Angst, des Auf-sich-gestellt-Seins.

Beate Bitterwolfs Menschen, verschwindend klein in Eis und Stein, sind Ausdruck für das-sich-verlassen-können – auf den, der sichert. Oder der nicht sichert und auf den man sich nicht verlassen kann.

Bergbild/Fjord

Mächtig, Klotzig, breit gelagert
liegen sie da und wehren sich gegen Besucher.

Doch sie kommen, die Eindringlinge.
In Ihrer Größe verschwindend klein verlassen sie die Hänge und es kehrt wieder Ruhe ein.

Beate Bitterwolf sieht die Unruhe und malt Ruhe.
Erkennt die Widersprüche und malt einen Anteil des Ewigen.
Erklettert eine Felswand und malt das Gebirge.

Die Träume träumen,
die Angst vor dem Ich, vor dem Alleinsein kennen.

Das Sosein und Sein malen.
In diesen Bergbildern stecken unsere eigenen Gletscher.
Überzeugend gemalt.

© Sabine Krebber